Besuch im Hamam

Für die die noch nie in einem Hamam waren, habe ich diese Bilder und Beschreibung meiner Erfahrung zusammengefasst. Bukhara hat einen Hamam aus dem 16. Jahrhundert. Er zählt mit zu den noch voll genutzten Bauwerken. Ein Hamam ist eine öffentliche Badeanstalt bevorzugt von Männern genutzt,  aber an gewissen Tagen auch von Frauen. In der Regel werden die Böden und das Wasser von unten beheizt, ähnlich wie schon vor tausenden von Jahren bei den Römern. Unmengen von Wasser werden zu den Waschungen verwendet, was zwangsläufig zu einem Dampfbad führt. Überall befinden sich Nischen und Ruheplätze für die Badenden. Das Hamam ist heute wie früher eine Art Wellnessanlage, in welcher neben der Reinigung und Entspannung auch alles Wichtige bei einem Chai besprochen wird. Wichtig ist noch zu erklären, dass man (Mann) dort von Männern gewaschen wird. Kernseife und Ziegenlederlappen wirken wie ein peeling und kein Gramm Schutz kann dem vielmals benutzten Lappen trotzen.

Am heutigen Tag kamen wir auf dem Rückweg unserer sechsstündigen Stadtbesichtigung am Hamam vorbei. Rüdiger erklärte mich für verrückt bei fast 40 Grad Aussentemperatur ins Hamam zu wollen. Allein die Besichtigung des Bades hat uns den Schweiss aus allen Poren gedrückt.

Ich entschied mich trotzdem dort zu diesem Besuch. Ich wurde herzlich empfangen, ein Spint wurde mir zugeteilt und ein Handtuch, das für meinen Bauchumfang deutlich zu kurz war. In einem moslemischen Hamam geht es absolut sittlich zu und so hatte ich sicherheitshalber meine Badehose dabei um nicht ständig das Handtuch, schambedeckend, halten zu müssen. Das wäre nämlich gar nicht so einfach, wenn während der Waschungen literweise Wasser und Seife über den Körper gegossen werden. In der Badehose war ich also sicher. Ein junger kräftiger und durchtrainiert „Wäscher“ schickte mich fürs Erste zur Akklimatisierung in einen Dampfkammer. Dort sollte ich vor mich hinschmachten - bis er mich holen würde?  Der Raum war aus gebrannten Lehmziegeln zu einer Kuppel gebaut und mit einer Öffnung on top versehen. Die Sonne stand schon schräg und beleuchtete den Raum gerade mal so, wie ich mir ein mittelalterliches Verlies vorzustellen pflege Die Zeit verging, annehmend er habe mich vergessen und drohend zu dehydrieren verlies ich diesen Ort und siehe da, er hatte wohl darauf gewartet, dass ich von mir aus kommen würde.

Nun wurde ich auf jahrhundertealten Marmor gelegt. Und wie schon beschrieben mit einem ebenso alten Ziegenlederlappen abgeschruppt, bis dass auch wirklich keine Hautschuppe mehr lose an mir war. Seife Wasser und Wasser und Wasser ergoss er über mich. Pro Bottich rechnete ich mir etwa 30 ltr. aus. Also mindestens 4 Güsse zu je 30 ltr. sind 120 ltr Bukhara Grundwasser, leicht gesalzen.

Ich war also clean. Nun kam die Massage, die fester Bestandteil einer jeden Waschung ist. Rüdiger und ich hatten bereits in Marokko Erfahrung mit moslemischen Hamams gesammelt. Die Massagetechniken waren dort mehr als berberisch – viel mehr barbarisch. Damals haben wir geschworen kein Hamam mehr zu besuchen. Warum mich heute der „Affe geritten" hat fragte ich mich spätestens mit Beginn dieser körperlichen Quälereien. Das Durchkneten der Muskeln ist ja nun noch angenehm und leicht auszuhalten, jedoch spätestens wenn mein professioneller „Wäscher“ mir beide Arme auf den Rücken verbog und mit dem Bein ins Gesäß tratt und dann glaubte, dass er mit mächtigem Zug und Druck die Dehnfähigkeit  meines Körpers verdoppeln könne, war ich wieder an die Barbarei von Marokko erinnert. Mit aller Kraft spanne ich meine Muskel an um dem immer stärker werdenden Zug des „Wäschers“ entgegenzuhalten und das Auskugeln meiner Oberarmgelenke zu verhindern. Wie ein Kampf der Giganten war die Massage zwischen dem Masseur und mir. Zuletzt war es Ihm nicht gelungen mich auseinander zu reißen und triumphierend stand ich auf als er mir „finish“ zurief. Nicht dass Ihr Leser glaubt, dass es damit zuende gewesen wäre. Nein – eine sandhaltige und erdfarbene paste wurde noch auf meinem Körper eingerieben und dann durfte ich zurück in mein „Verlies“ und sollte dort ausspannen. Von wegen, wie pure Ameisensäure fühlte sich die Wirkung der Paste an. Meine Haut wurde glühend heiß und wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich in einem Hamam war, hätte ich ein Verlies mit Folterkammer angenommen. Das war seine Rache. Er hatte mich im Gigantenkampf der Massage nicht bezwingen können und nun versuchte er mich auf diese Weise zu vernichten.  Ich wollte fliehen, ging aber nicht, es waren zuviel Aufseher die unbedingt wollten, dass ich mindestens 20 Minuten ausharren sollte. Ich war mir sicher diese nicht überstehen zu können. Welch eine Gnade, als mein Wäscher mit freundlicher und höflicher Wertschätzung kam, und mich wieder mit Unmengen von Wasser von der Folterpaste zu befreien. Ich war erlöst. Bei einer Tasse Chai haben wir uns dann noch freundlich und ausgiebig in usbekischem-englischem Kauderwelsch unterhalten. Wiederholt vergewisserte er sich ob es mir auch gefallen habe und gut getan hat. Um nicht Gefahr zu laufen morgen nochmals hin zu müssen, stattete ich ihn mit ausreichend Trinkgeld aus und erhielt die Genehmigung noch Foto’s vom Ort der Tat zu machen. Ich konnte Rüdiger von dieser Traumatisierung erst Stunden später berichten. Erst als ich mir sicher war, dass es kein Traum war konnte ich darüber reden und mir das Erlittene von der Seele schreiben.

Also ich lebe, Gruss Horst

 

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